Auszug aus Fazit der Metaanalyse und Feldstudie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. (Abschlussbericht zum Verbundprojekt DEUFRAKO/RAPS – Wirkungsorientierte Bewertung unterschiedlicher Verkehrslärmarten vom 15. 9. 2010)
Aus Zusammenfassung Seite 111 – 114:
Bei der Metaanalyse wurden 35.647 eingespielte Straßenverkehrs- geräusche, 27.680 eingespielte Schienenverkehrsgeräusche (eine Unter- scheidung zwischen Güter- und Personenverkehr war hier nicht möglich)
und 46.509 eingespielte Flugzeuggeräusche berücksichtigt. In der Bahn- lärmfeldstudie wurden insgesamt 11.836 Güterzüge und 4.193 Personen- züge gezählt, deren Lärmauswirkungen auf den Schlaf mit denen der 16.411 gemessenen Flugzeuggeräusche aus der früheren Fluglärmfeldstu- die verglichen wurden.
Die ereigniskorrelierte Auswertung, basierend auf einem multivariaten logis- tischen Regressionsmodell, zeigt sowohl bei der Metaanalyse der Labor- als auch bei der Analyse der Feldstudiendaten, dass Schienenverkehrslärm zu signifikant höheren Aufwachwahrscheinlichkeiten führt als Fluglärm. Einen signifikanten Einfluss haben dabei der Schalldruckmaximalpegel LAFmax bzw. die Emergenz (Maximalpegel minus Hintergrundpegel) sowie die Schnelle des Pegelanstiegs des Geräuschs.
Die Metaanalyse der Schlaflaboruntersuchungen ergibt zudem, dass der Unterschied zwischen Bahnlärm und Straßenverkehrslärm nur marginal ist und dort keine signifikanten Unterschiede gefunden werden. Die Feldstu- dienanalyse zeigt des Weiteren, dass der Schienenverkehrslärm differenziert zu betrachten ist. Bei den durch Güterzüge verursachten Lärmereignissen sind die Aufwachwahrscheinlichkeiten deutlich und signifikant höher als bei den durch Personenzüge erzeugten Lärmereignissen. Die Aufwachwahrscheinlichkeiten auf Grund von Lärmereignissen verursacht durch Personenzüge und Flugzeuge sind annähernd gleich.
Die Gesamtschlafparameter der Nacht wie Schlaflatenz und -effizienz zei- gen im Studienphasenverlauf auch bei sich deutlich ändernder Anzahl an Lärmereignissen kaum Varianz.
Als Gesamtfazit für den Schlaf kann festgehalten werden, dass die Wahr- scheinlichkeit für Aufwachreaktionen durch Lärm aller Verkehrsarten, ver- glichen mit klinischen Schlafstörungen, zwar insgesamt nur gering, jedoch signifikant erhöht ist. Aufgrund der hohen inter-individuellen Variabilität in
der Empfindlichkeit für verkehrslärmbedingte Schlafstörungen und auf- grund der eingeschränkten Repräsentativität der Stichprobe ist jedoch nicht auszuschließen, dass in nicht untersuchten Teilpopulationen der Bevölke- rung stärkere Lärmwirkungen beobachtet werden können. In den vorlie- genden Studien wurden Risikogruppen, d.h. kranke Personen und Kinder explizit ausgeschlossen, um die Auswirkungen des Verkehrslärms möglichst unverzerrt zu untersuchen. Gerade in diesen Bevölkerungsgruppen sind stärkere Wirkungen zu erwarten.
Physiologisch findet zudem keine komplette Anpassung an den Lärm statt, da die Lärmwirkungen auch noch bei langjähriger Exposition beobachtet werden können. Aussagen zu möglichen langfristigen Gesundheitsstörun- gen sind aufgrund dieser hier vorgestellten Schlafstudien nur indirekt mög- lich. Epidemiologische Studien können hier größeren Aufschluss geben.
Zum Zeitpunkt der Berichtstellung wird in Deutschland dem Schienenver- kehr ein Lärmbonus von 5 dB(A) gewährt. Der in diesem Projekt vorge- nommene Vergleich der Aufwachwahrscheinlichkeiten aufgrund von Bahn-, Straßenverkehrs- und Fluglärm lässt zumindest für den Güterverkehr nicht erkennen, dass dieser Bonus physiologisch begründet ist und er bedarf so- mit vor allem für die Nacht einer weiteren Überprüfung.
Die psychologischen Untersuchungen der Bahnlärmfeldstudie zeigen, dass sich die Belästigungsbeurteilung der Probanden primär auf die Tag- und Abendstunden konzentriert. Für den energieäquivalenten Dauerschallpegel der Nacht kann kein signifikanter Einfluss nachgewiesen werden. Insgesamt sprechen die Befunde zur Belästigung und subjektiven Bahnlärmbelastung dafür, dass von Bahnlärm betroffene Personen insbesondere die Anzahl der Züge als störend empfinden und auf globale Lärmimmissionen, die durch den Mittelungspegel erfasst werden, weniger sensitiv reagieren. Darüber hinaus lassen die regressionsanalytisch ermittelten Ergebnisse sowie die qualitativen Auswertungen zur Belästigung durch bestimmte Bahnsituationen auf eine stärkere Störwirkung der Güterzüge im Gegensatz zu den Personenzügen schließen.
Die Ergebnisse der vorliegenden Bahnlärmfeldstudie machen ferner deut- lich, dass neben den akustischen Parametern nicht-akustische Moderatorvariablen eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Belästigung spielen. In diesem Fall erwies sich die subjektive Gewöhnung an den Schienenverkehrslärm als besonders relevante Einflussgröße. Es ist anzunehmen, dass es sich bei dem erfassten Konzept nicht um eine Variable handelt, die durch die Wohndauer bestimmt wird. Diesbezüglich zeigte sich ein entgegen gesetzter Effekt, da die nächtliche Belästigung mit zunehmender Wohndauer signifikant anstieg.
Es konnten keine Auswirkungen des Schienenverkehrslärms auf die kogniti- ve Leistung des folgenden Tages nachgewiesen werden. Dies gilt sowohl für die Leistungstests, die am Morgen als auch am Abend durchgeführt wurden. Diese Ergebnisse stehen im Gegensatz zu denen der Fluglärmfeld- studie, die mit demselben Reaktionszeittest durchgeführt wurde und bei der zwar geringe, aber signifikante Dosis-Wirkungsbeziehungen zwischen dem nächtlichen LAeq und der mittleren Reaktionszeit am folgenden Morgen nachweisbar waren.
Trotz methodischer Probleme ist für die Zukunft die Ausdehnung der Unter- suchungen auf besonders vulnerable Bevölkerungsschichten wie z.B. Kran- ke unerlässlich, um ein umfassenderes Bild über die Auswirkungen von Verkehrslärm in stark belasteten Gebieten zeichnen zu können. Auch muss sich die Lärmwirkungsforschung verstärkt der Aufklärung der Wechselwir- kungsmechanismen von im Alltag häufig zeitgleich auftretenden, verschie- denen Verkehrslärmquellen widmen.